Nichtgleichgewichtseffekte in chemischen Reaktionen
Ein Schwerpunkt dieses Sonderforschungsbereichs ist die
Behandlung instationärer Verbrennungsvorgänge. Diese weisen starke sowohl
zeitliche als auch lokale Änderungen von Konzentrationen, Druck und Temperatur
auf. Unter solchen Bedingungen sind ausgeprägte Nichtgleichgewichtseffekte zu
erwarten, welche immer dann auftreten, wenn bei chemischen Reaktionen die
Reaktionszeiten in den Bereich der Zeiten der stoßinduzierten
Energieübertragung gelangen Dies führt zu Nichtgleichgewichtsbesetzungen von
Molekülzuständen und tritt ganz allgemein auch bei stationären chemischen
Vorgängen auf, die sich nach einer plötzlichen Zustandsänderung eines
chemischen Systems einstellen. Die Zeit bis zum Erreichen dieses stationären
Zustands wird Induktionszeit genannt.
Zündungs- und Verbrennungsprozesse werden stark von der
Konkurrenz zwischen intermolekularer stoßinduzierter Energieübertragung und
intramolekularen chemischen Prozessen diktiert und demnach von Gradienten der
Zusammensetzung, des Druckes und der Temperatur stark beeinflußt. Für die
meisten Moleküle, die in Zündungs- und Verbrennungsprozessen involviert sind,
ist der Einfluß von Nichtgleichgewichtseffekten auf die Konkurrenz
verschiedener Reaktionskanäle nicht verstanden. Für die numerische Simulation
bzw. die Vorausberechnung der Zündung ist die Kenntnis dieser Einflüsse jedoch
unerläßlich.
Mit Hilfe der Stoßwellentechnik und der
Laserblitzlichtphotolyse sollen diese Vorgänge daher beispielhaft an den
Alkoxy-Systemen (CnH2n+1O) untersucht werden. Begonnen
werden soll mit Untersuchungen am Ethoxysystem (C2H5O),
welches besonders gut geeignet ist, da es noch hinreichend klein ist und
zuverlässige ab-initio Berechnungen der Potentialhyperfläche erlaubt. Die
Ergebnisse dieser Berechnungen sollen zur Ermittlung spezifischer
Geschwindigkeitskonstanten mittels statistischer Theorien genutzt werden. Auf
experimenteller Seite ist das System komplex, da eine Vielzahl von Reaktionskanälen
(z.B. OH + C2H4, H + CH3CHO, CH3 +
H2CO und C2H5O) über unterschiedliche
Barrieren miteinander gekoppelt sind. Dabei kann fast jeder Weg durch chemische
Aktivierung oder Laserblitzlicht-Photolyse initiiert und durch laserinduzierte
Fluoreszenz von OH, CH3CHO, H2CO und C2H5O
selektiv und sensitiv nachgewiesen werden. Ziel des Projektes ist es, die
Verzweigungsverhältnisse und die unterschiedlichen Bildungsgeschwindigkeiten
der Produkte als Funktion von Druck und Temperatur zu erfassen. Dabei sollen
die oben aufgezeigten verschiedenartigen chemischen Aktivierungen als Zugänge
in das System genutzt werden. Die Konkurrenz zwischen inter- und
intramolekularen Prozessen wird dann über eine Mastergleichungsanalyse der
Produktbildung analysiert. Die Ergebnisse dieses Projekts werden erheblich zum
Verständnis von Nichtgleichgewichtseffekten chemischer Reaktionen beitragen.
Dieses Projekt ist von grundsätzlicher Bedeutung für alle
Teilvorhaben, in denen unter instationären Druck- und Temperaturbedingungen kinetische
Modelle zur Zündung und Verbrennung entwickelt, validiert und verwendet werden.